Am 02. Mai 23 führte die SHG Oberbayern unter der Leitung von Franz Kupka einen Ausflug nach Nürnberg durch. Unterstützt wurde er dabei durch ITM und die Informations- und Servicestelle des BLWG in München. Wir wollten nach langer Zeit wieder die Taubblindengruppe der ev. luth. Gehörlosenseelsorge Nürnberg treffen.

Der Wunsch auf ein Wiedersehen stieß in Nürnberg auch auf Begeisterung. Die Taubblindengruppe der ev. luth. Gehörlosenseelsorge Nürnberg hatte ein interessantes Tagesprogramm vorgeschlagen und organisiert. Der Höhepunkt war der Besuch des alten Johannis-Friedhofs in Nürnberg mit der Grabstelle des gehörlosen Malers Paul Ritter mit einer fachkundigen Führung.

Schon um 8:00 Uhr traf sich eine Gruppe von 12 Teilnehmern am Münchener Hauptbahnhof, um mit dem ICE nach Nürnberg zu brausen. Aber die Bahn machte es wieder spannend: mit einiger Verspätung erreichten wir Nürnberg und trafen dort die 7 Teilnehmer aus dem Norden Bayerns.

Mit U-Bahn und Straßenbahn ging es zum Johannisfriedhof, wo die Führerin und die beiden Gebärdensprachdolmetscherinnen schon auf uns warteten.

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Die Führerin begleitet von der Dolmetscherin erzählt über den Friedhof

Zweite Dolmetscherin

Der Johannis-Friedhof ist ein alter Friedhof mit Grabsteinen und Grablegen der Nürnberger Bevölkerung aus mehr als fünf Jahrhunderten. Zwischen blumengeschmückten Grabsteinen spaziert man an den Grabstätten von Albrecht Dürer, Veit Stoß und anderer berühmter Nürnberger vorbei. Der Friedhof steht unter Denkmalschutz. Es gibt Normen für die Grabsteine aus Sandstein. Darauf sind künstlerisch wertvolle Bronzeplatten angebracht.

Man kann auch heute dort eine Grabstätte pachten.

St. Johannis mit geschmückten Gräbern

Eine der Grabplatten zeigt eine Bronzetafel mit dem hl. Martin. In einem Medaillon aus Ranken befindet sich die Szene, in der der St. Martin (hier mit Bischofsmütze und auf seinem Pferd sitzend) seinen Mantel teilt. Er will ihn dem frierenden Bettler geben, der rechts unten in der Ecke sitzt.

Szene St. Martin

Wir konnten die Details begutachten, mit den Augen sehen oder mit den Händen ertasten.

Details wurden abgeteastet

Die Informationen wurden in verschiedenen Kommunikationsformen weitergeben.

Im Gespräch – taktile Gebärden

Aber nun zu Paul Ritter:

Paul Ritter, ein gehörloser Maler aus Nürnberg – ein paar Infos:
Im Alter von vier Jahren wurde Paul Ritter durch Krankheit gehörlos. Er besuchte die Taubstummenschule in Nürnberg.

Später studierte er Malerei und Grafik an der Kunstgewerbeschule Nürnberg, bereiste Frankreich, Italien, Dänemark und Österreich.

Bekannt wurde Ritter insbesondere durch seine großformatigen Architekturbilder vom alten Nürnberg mit historischen Figuren vor dem Hintergrund der historisch treu dargestellten Architektur der Altstadt.

1888 wurde Paul Ritter durch den Prinzregenten Luitpold von Bayern zum Königlichen Professor ernannt. Er unterrichtete mit Hilfe seines Bruders Lorenz an der Kunstgewerbeschule Nürnberg.

Paul Ritter gilt als einer der wichtigste Architekturmaler des deutschen Historismus. Zum 100. Todestag wurde er im Herbst 2007 von der Stadt Nürnberg durch eine große Ausstellung gewürdigt.

1870 gründete Paul Ritter einen Taubstummenverein in Nürnberg, in dem er als 1. Vorstand tätig war. 1907 wurde er als Ehrenmitglied bei der Taubstummen-Gesellschaft „Hufeisen“ für Handwerk und Kunst in München erhoben.

Er wurde am 29. November 1907 auf dem Nürnberger Johannisfriedhof begraben, wo sich sein Grab noch heute befindet. In Nürnberg-Eberhardshof wurde die Paul-Ritter-Schule des Zentrums für Hörgeschädigte des Regierungsbezirkes Mittelfranken nach ihm benannt.

Sein Grab war sehr verfallen. Ein Nürnberger Verein hat es renovieren und mit neuen Bronzetafeln ausstatten lassen. Sie zeigen seine wichtigsten Gemälde.

Paul Ritters Grabplatte mit den wichtigsten Gemälden

Besonders interessant fanden wir die Malerpalette, in der der Maler seine Farben anrührt. In den Farbtöpfchen ist der Name Paul Ritter im Fingeralphabet geschrieben.

Paul Ritter Palette mit Fingeralphabet

Nach so viel Wissen und Informationen zur Nürnberger Geschichte verabschiedeten wir uns von unserer Führerin und den beiden Dolmetscherinnen. Wir gingen ins Goldene Posthorn – schon das Stammlokal von Albrecht Dürer, um uns zu stärken.

Am Nachmittag hatte die Evangelische Gehörlosenseelsorge uns zur Besichtigung ihrer neuen Räume eingeladen. Bei Kaffee und Kuchen fand ein lebhafter Austausch zwischen allen Taubblinden statt.

Zusammensitzen bei Kaffee und Kuchen

Zusammensitzen bei Kaffee und Kuchen

Zusammensitzen bei Kaffee und Kuchen

Zusammensitzen bei Kaffee und Kuchen

Die Münchner verabschiedeten sich von ihren Freunden und spazierten über den Nürnberger Hauptmarkt zurück zum Hauptbahnhof um die Heimreise anzutreten.

Ein erlebnisreicher Tag ging zu Ende.

Gruppenfoto